DIE MAUER

DDR/D 1990, R: Jürgen Böttcher, K: Thomas Plenert, 99’ · 35 mm

Die Mauer Foto: Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen

Die Mauer Foto: Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen

Im Winter 1989/90 ist die Mauer ein Schauplatz regen Treibens. Jugendliche mit Meißeln sind am Werk, um sich den einen oder anderen Brocken zu sichern, Spaziergänger schlüpfen durch das durchlöcherte Bauwerk von Ost nach West und umgekehrt, japanische Touristen knipsen, während Kamerateams aus aller Welt die pittoreske Kulisse ablichten. Es ist ein Ort für Gaukler, Feuerschlucker oder auch eine Tänzerin, die ihre Kunst vor porösem Beton erprobt. Und zugleich bietet die Grenze den Blick auf seltsame Landschaften: etwa die weiten, öden Flächen des Potsdamer Platzes. In langsamen Schwenks und ruhigen Einstellungen beobachten Jürgen Böttcher und sein Kameramann Thomas Plenert die Metamorphosen des einstigen „antifaschistischen Schutzwalls“ und führen den Zuschauer in die Unterwelt der stillgelegten U-Bahnhöfe. Hier, so scheint es, ist die Zeit seit 30 Jahren stehen geblieben. Kommentiert werden die Bilder nicht, es sei denn wiederum durch Bilder. Wiederholt wird die Mauer zur Projektionsfläche historischer Aufnahmen. Auf rissigem Beton flackert deutsche Geschichte: die Panzer der Roten Armee im Jahre des Mauerbaus 1961, aber auch Kaiser Wilhelm, Aufnahmen aus der Weimarer Republik, nationalsozialistische Aufmärsche, Hitler, Goebbels und – in einer letzten Serie – Honecker und die Menschenmassen, die am 9. November von Ost nach West strömen erzählt von einer Zwischenzeit: Die bröckelnde Mauer wird zum transitorischen Ort deutscher Geschichte.