DIE FÜHRENDE ROLLE

Deutschland 1994, R: Harun Farocki, ’35

Tagelang hatten sich unzählige Kamerateams vor dem Brandenburger Tor aufgebaut, um ein emblematisches Bild der Maueröffnung einzufangen. Doch gibt es überhaupt ein Bild, in dem das Ereignis getroffen ist? 1994 hat der Berliner Filmemacher und Essayist Harun Farocki die Fernsehbilder aus Ost und West von der Maueröffnung erneut gesichtet und zum essayistischen Dokumentarfilm „Die führende Rolle“ montiert. Die neu montierten Bilder vor und nach der Maueröffnung werden auf diese Weise nicht nur zu einem neu ausgerichteten Spiegel der Ereignisse, sondern reflektieren auch nationale Befindlichkeiten und (Selbst-) Inszenierungen.

„Es sind Bilder der aktuellen Berichterstattung, und in solchen erscheint stets selbst das Unvorhersehbare alltäglich. (…) Heute nach fünf Jahren können wir aus den Dokumenten herauslesen, wie tief das kollektive Bewußtsein erschüttert war und mit welcher Gefaßtheit diese Erschütterung maskiert wurde. Damit haben wir den Ausdruck dessen, der am nächsten Tag den Freitod wählt.“ (Harun Farocki, 1994).